
Liebe Freund:innen, Interessent:innen, Kund:innen von inscape,
in diesem Jahr fand die Summer University der ANSE, also dem europäischen Dachverband der nationalen Verbände für Supervision und Coaching, erstmals in Deutschland statt. Organisiert wurde die Veranstaltung unter anderem von der Deutschen Gesellschaft für Supervision und Coaching (DGSv) und der Katholischen Stiftungshochschule München. Während der fünf Tage in München ging es unter dem Motto „An Ocean of Possibility – Supervision between thought and action“ vor allem um die Frage, wie die grundsätzliche Dynamik zwischen sozialen Fragen und dem konkreten methodischen Arbeiten in der Supervision beantwortet werden kann.
Auch inscape war zahlreich vertreten und so widmen wir uns im Schwerpunkt zweien der Projekte, in denen wir involviert waren. In der Kategorie „Woran wir denken, woran wir arbeiten“ geht es darum, welche Rolle Teams als haltgebende Gemeinschaften in der aktuellen Arbeitswelt einnehmen. Aufhänger war das Schlussmodul der Fortbildung zur generativen Organisations- und Kulturentwicklung. Am Ende gibt es wieder die Ankündigungen zu den nächsten bei inscape anstehenden Terminen.
Blick nach außen, Blick nach innen
Sommeruniversitäten sind ein gerade im anglophonen Raum seit Jahrzehnten etabliertes Format, das zur intensiven akademischen Beschäftigung mit einem Thema einlädt
So wie jetzt bei der 11. Internationalen Sommeruniversität der ANSE in München. Insgesamt 180 Teilnehmer:innen aus ganz Europa hatten sich dazu Ende August in München eingefunden. Der Gesamtfokus ging dabei vor allem in die Gesellschaft hinaus und welche Rolle sie im Alltag der einzelnen Supervisor:innen spielt: Also wie wird die Alltagspraxis von Supervisor:innen zurzeit von den rapiden gesellschaftlichen Veränderungen und den damit einhergehenden Komplexitäten beeinflusst? Welche Haltungen und Werte braucht es hierfür und was bedeutet das für die eigenen Interventionen und Methoden?
Wie unterschiedlich die Antworten auf diese großen Fragen sind und wie vielfältig sie beleuchtet wurden, zeigen auch die beiden Workshops, die von inscape Absolvent:innen geleitet wurden. Josephine Schmitt, Absolventin der inscape Supervisionsweiterbildung für Coaches, war präsent mit dem Workshop „Rape Culture in Organisations – and Within Ourselves: Addressing Sexual Harassment in the Workplace and Its Impact on Our Work“. Für Fabio Lesuisse, Absolvent der Fortbildung zur generativen Organisations- und Kulturentwicklung, und aktiv in Beratungsprojekten von inscape, dessen Herzensthema als ausgebildeter Opernsänger die Stimme ist, standen bei seinem Workshop „The Power of Voice, Breath and Presence“ nicht nur praktische Tools zu Atem, Haltung und Stimme im Vordergrund.
Vielmehr hatte Fabio Lesuisse die Absicht, Resonanz sowohl auf körperlicher wie auch auf zwischenmenschlicher Ebene erfahrbar zu machen: „Oft nehmen wir unser Instrument als selbstverständlich hin. Besonders gefreut hat mich daher die Rückmeldung, dass die Workshoparbeit die eigene Präsenz stärkt, die Teilnehmenden also das Gefühl hatten, noch mehr mit sich selbst und den Klient:innen in Kontakt zu kommen. Ich finde das besonders wichtig, weil die Stärkung der eigenen Körperpräsenz auch das Bewusstsein für Dynamiken schafft, die nicht ausgesprochen sind.“
Besonders inspirierend empfand Fabio Lesuisse die Internationalität: „Der Austausch mit Kolleg:innen aus unterschiedlichen Ländern hat mir gezeigt, wie verschieden die Zugänge sein können – und gleichzeitig, wie viel Gemeinsames uns verbindet.“ Spannend sei zudem gewesen, wie sich die unbewussten Prozesse auch bei dieser großen Gruppe gezeigt hätten: „In manchen Diskussionen war spürbar, dass Emotionen, unausgesprochene Erwartungen oder auch Widerstände eine Rolle spielten, obwohl das Thema auf einer eher sachlichen und fachlichen Ebene behandelt wurde.“ Sich in diesem Kontext selber wahrzunehmen und dabei zu beobachten, wie Übertragungen und Projektionen auch hier wirkten, sei faszinierend gewesen: „Für mich war die ANSE Summer University ein lebendiges Beispiel dafür, wie Beziehungserfahrungen und Dynamiken unser Erleben beeinflussen und wie hilfreich es ist, dafür sensibel zu sein.“
Traummatrix als Verbindung
Eine besondere Rolle während der fünf Tage in München nahm die soziale Traummatrix ein, geleitet von Dr. Karin Herrmann und Dr. Ullrich Beumer. Das im inscape-Kontext schon lange präsente Format, welches zum Beispiel in den Aus- und Weiterbildungen genutzt wird, fand während der Sommer University allmorgendlich statt. Was diese Traummatrix dabei besonders machte, war die Regelmäßigkeit. Die Teilnehmenden schnupperten also nicht nur in die Methode rein, sondern konnten jeden Morgen mit Social Dreaming ins Tagesprogramm starten. Dadurch bot die Traummatrix während der gesamten Veranstaltung auch eine Art von Containment für die Dynamiken und Prozesse der Sommeruniversität.
So verband dieser immer wieder neu entstehende Raum nicht nur die Träume und Assoziationen der Teilnehmenden, sondern fungierte auch als Bindeglied zwischen bewussten und unbewussten Elementen innerhalb des „Ocean of Possibilities“. Fabio Lesuisse ist dabei vor allem das wiederkehrende Thema von Zugehörigkeit, Zerrissenheit und Spaltung in Erinnerung geblieben. Es zeigte sich sowohl geopolitisch, wie auch in der gelebten Vielfalt der Anwesenden aus den verschiedenen Ecken Europas. Doch auch auf einer persönlichen Ebene in der Community kam laut Fabio Lesuisse die Frage nach dem Belonging immer wieder auf: „Wo gehöre ich hin, wie viel Nähe ist möglich, wo entstehen Grenzen? Und welche setze ich selbst?“ Diese Ambivalenzen hätten sich sowohl in Träumen und Assoziationen – zum Beispiel rund um Freiheit, Begrenzung und Gelähmtheit – allerdings auch durch den Drang, diesem etwas entgegenzusetzen gezeigt. Immer wieder seien so kollektive Prozesse zu spüren gewesen.
Eine besondere Erfahrung also, die generell von vielen Teilnehmenden als bereicherndes Element wahrgenommen wurde. Wir hatten uns dem Format der sozialen Traummatrix ausführlicher in Ausgabe Nummer 7 des Newsletters gewidmet, aufgehangen am damals frisch erschienenen Buch „Social Dreaming – Einführung in die Arbeit mit der sozialen Traummatrix für Organisationsentwicklung, Supervision und Gruppentherapie“. Die beiden Autoren Dr. Ullrich Beumer und Dr. Moritz von Senarclens de Grancy leiten zu dem Thema auch einen Workshop am 5. und 6. Dezember.
Woran wir denken, woran wir arbeiten: Teams als haltgebende Gemeinschaften
Im letzten Modul der generativen Organisations- und Kulturentwicklung haben wir uns vor den Sommerferien insbesondere auf Teams fokussiert – und wie sich das Teamverständnis in der Arbeitswelt aktuell verändert. Die Organisationskultur, die Primäraufgabe, Führung, Personen und Teamdynamik bleiben klassische Anknüpfungspunkte in der psychodynamischen Teamentwicklung. Diese Themen sind im Moment jedoch durch die Veränderungen in den Arbeitsweisen und in der Arbeitskultur stark in Bewegung. Möglichkeiten zum Home Office, sowie die fortschreitende Spezialisierung der Arbeit und Digitalisierung, führen zu mehr Distanz untereinander wie auch zum großen Ganzen.
Laut einer Studie zur Mitarbeiterbindung von F.A.Z. Business Media berichten 48 Prozent der Unternehmen über geschwächten Teamzusammenhalt. Viele Mitarbeitenden fühlen sich zunehmend isoliert. Dieser Individualisierungsschub passt wenig zu den klassischen New Work Versprechen von mehr Selbstorganisation. Denn die setzt eigentlich mehr Kommunikation, Kooperation und Konfliktfähigkeit voraus.
Gerade in Veränderungsphasen hilft ein starkes soziales Netzwerk mit haltgebender Wirkung und beugt nachweislich gegen Burnout vor, wie Dr. Katharina Möller und Dr. Alica Ryba in „Stress und das Gehirn. Die Rolle der Neurobiologie in Veränderungsprozessen und Phasen des Übergangs“ in der Zeitschrift für OrganisationsEntwicklung 4/24 aus neurobiologischer Sicht darlegen. Auch die Erkenntnisse aus einer Metaanalyse, die Professor Rolf van Dick auf dem Kongress für psychodynamisches Coaching 2025 darstellte, zeigen in eine ähnliche Richtung (Steffens, Haslam, Schuh, Jetten & Van Dick, 2017. A Meta-Analytic Review of Social Identification and Health in Organizational Contexts, 2017, January 2017, Personality and Social Psychology Review 21(4)).
Die Metaanalyse weist den Zusammenhang zwischen Zusammenhalt und Identifikation mit Gruppen und der zunehmenden Übernahme von Extrarollenverhalten, mehr sozialer Unterstützung, sowie einer stärkeren Überzeugung, gemeinsame Ziele zu erreichen und Schwierigkeiten zu überwinden, nach. Genau dadurch entsteht eben auch weniger Stress und Burnout. Teamentwicklung in hybrid arbeitenden Teams bearbeitet andere Themen und Spannungsfelder als dies in Präsenzteams der Fall ist: Nähe und Distanz, Freiheit und Begrenzung, Individualität und Gemeinschaft – Themen, die auch auf der ANSE präsent waren. Es sind eben nicht nur die Arbeitsmodelle und Arbeitsorte in Bewegung, sondern auch die Wege durch die wir unsere soziale Identität stärken.
Was bei uns ansteht:
- Die inscape Coaching-Ausbildung beginnt in diesem Jahr mit ihrem ersten Modul vom 23. bis 26. Oktober. Während der Ausbildung entwickeln die Teilnehmer:innen ihre Haltung als Coach und setzen sich mit den psychodynamischen Aspekten der Coaching-Arbeit auseinander.
- Vom 14. bis 16. November geht es mit der Fortbildung zur Generativen Organisations- und Kulturentwicklung los. Fokus sind dabei praktische Fragestellungen der Beratung und Führung von Organisationen.
- Die Supervisionsweiterbildung beginnt in diesem Jahr am 27. November. Das Ziel der nach DGSv-Richtlinien stattfindenden Weiterbildung ist es, die bereits vorhandenen Kompetenzen sowie das Wissen um Beratungskonzepte zu vertiefen und zu erweitern.
- Am vom 5. und 6. Dezember findet der Workshop zur Arbeit mit der sozialen Traummatrix in Supervision, Gruppentherapie und der Organisationsentwicklung statt.
Anmeldungen zu allen Veranstaltungen können jeweils bei Gabriele Beumer unter Gabriele.Beumer@inscape-international.de vorgenommen werden.
Das ganze Jahresprogramm von inscape finden Sie hier.
Damit verabschieden wir uns für die fünfunzwanzigste Ausgabe des Newsletters. Die nächste Ausgabe erscheint im Oktober.
Herzliche Grüße,
das inscape-Team