
Liebe Freund:innen, Intessent:innen, Kund:innen von inscape,
keine Frage, die Entwicklung des Coachings ist eine Erfolgsgeschichte. Mittlerweile sind Coachingangebote neben Qualifizierungsmaßnahmen, Trainings und Workshops ein fester Bestandteil einer jeden Personalentwicklung. Den Erfolg hat das Coaching der Supervision voraus, die noch immer um Akzeptanz und Verbreitung im Businessbereich kämpft. Einhergehend mit diesem Siegeszug haben sich allerdings auch viele ungebetene Gäste eingenistet: Von ihnen wird Coaching als Allheilmittel für alle Lebenslagen in einer hyperindividualistischen Weltsicht angepriesen - und gut verkauft. Man denke nur an die „Vortragscoaches“ aus verschiedenen Fernsehdokumentationen, deren unseriösen Angebote zu einer Skepsis in der Öffentlichkeit geführt haben.
Daher ist eine nachweisbar qualifizierte Ausbildung von Coaches umso wichtiger, und die besteht beileibe nicht nur aus guten Fragetechniken und Interventionen. Mehr dazu gibt es im Schwerpunkt. In der Kategorie „Woran wir denken, woran wir arbeiten“ beschäftigen wir uns dieses Mal mit dem ambivalenten Verhältnis Vieler zum Thema LinkedIn. Zum Schluss finden Sie wie gewohnt die Ankündigungen zu den nächsten bei inscape anstehenden Terminen.
Brücke zwischen den zwei Selbst
So wie Jean-Paul Sartre einst proklamierte, dass der Mensch zum Freisein verurteilt ist, so stellte der Autor und Coach Simon Western in seinem wegweisenden Buch „Coaching and Mentoring: A Critical Text“ im Jahr 2012 fest, dass wir westlichen Menschen mittlerweile dazu verurteilt sind, an uns selbst zu arbeiten. Immer gibt es etwas zu ändern, zu verbessern, gilt es emotionale Probleme zu überwinden. Western hat dabei zwei Konzeptionen des Selbst ausgemacht.
Einerseits das ‚verwundete Selbst‘, also das fragmentierte und emotional verletzte Selbst, es wird den Therapien zugeschrieben. Das ‚gefeierte Selbst‘ hingegen ist Ausdruck von Individualität und Konsumdenken. Während bei der Begegnung mit dem ‚verwundeten Selbst‘ auch Dämonen auftauchen, denen nicht alle begegnen wollen, zeigt sich das ‚gefeierte Selbst‘ im Wandel und im Wunsch nach Selbstentdeckung, nach höherer Produktivität und Leistungssteigerungen auf der Arbeit und im Leben.
Den Weg vom ‚verwundeten Selbst‘ hin zum ‚gefeierten Selbst‘ zu begleiten, dass, so Western, ist das inhärente Versprechen des modernen Coachings. Der alleinige Fokus auf das ‚gefeierte Selbst‘ ist jedoch wenig zielführend. Vielmehr geht es darum, das ‚verwundete Selbst‘ zu integrieren und ein starkes, vermittelndes Selbst auszubilden, das immer wieder die Brücke zwischen den beiden Selbst schlagen kann.
Zudem gibt es kein Selbst ohne die anderen: Das Selbst steht immer in Beziehung zu anderen und zu der Welt um sich herum. Es existiert in zahlreichen, gegenseitigen Abhängigkeiten. Dementsprechend setzen sich Coachees im Coaching mit der eigenen Arbeitsumgebung auseinander und geben letztlich durch das Coaching wichtige Impulse an diese zurück.
Bewusst unbewusst
So ist Coaching nach unserer Definition ein Beratungsformat, das sich auf die Themen professionellen Handelns im Kontext der eigenen Rolle und Organisation richtet, auch wenn die jeweilige Person des Coachee im Mittelpunkt ist. Vor allem wenn Coach und Coachee sich dabei trauen, in den sich öffnenden Raum zu treten, lässt Coaching viel Platz für Kreativität. Der Fokus der Coaching-Ausbildung bei inscape liegt nicht auf der Vermittlung von Methoden und Tools. Aus unserer Sicht entscheidet sich die Wirksamkeit und der Erfolg einzelner Techniken und Interventionen vor allem an der Qualität der Beziehung zwischen Coach und Coachee und daran wie der Coach seine Persönlichkeit in den Prozess einbringen kann.
Entsprechend ist das Coach-werden etwas, das sich in den Beruf mitnehmen lässt, auch für jene, deren primäres Ziel es nicht ist, direkt Coach zu werden. Daher richtet sich die inscape Coaching-Ausbildung auch ganz bewusst an Menschen, die in Führungsverantwortung sind oder auf dem Weg zur Führungskraft. Mehr Informationen zur am 28. November beginnenden Ausbildung gibt es hier.
Woran wir denken, woran wir arbeiten: LinkedIn, LinkedOut?
Während die Zeit kürzlich schon ein mögliches Ende der sozialen Medien und eine neue Dominanz der postsozialen Medien ausrief (hinter Bezahlschranke), einen verstärkten Trend hin zu persönlicher und authentischer Kommunikation in kleineren Gruppen sah, etwas das nebenbei bemerkt ja auch jede gute Fortbildungs- oder Intervisionsgruppe bietet, werden wohl nicht wenige, die diesen Text lesen, beim Gedanken an die nach wie vor sehr real existierenden sozialen Medien überlegen: Sollte ich nicht auch mal wieder auf LinkedIn posten?
Belohnt der Algorithmus nicht diejenigen, die regelmäßig und gehaltvoll ihre Anliegen und Angebote teilen? Findet man nicht genau auf diese Weise mehr Kund:innen? Manchen scheint all das vermeintlich mühelos zu gelingen, während sich andere - aus Koketterie oder nicht - ob der hierzu benötigten Lust an der Selbstdarstellung (lautstark) abwenden. Denn hier wird es präsentiert, das ‚gefeierte Selbst‘, und nicht selten findet sich auch die eigene Burnout-Erfahrung (und damit das verwundete Selbst) als Erfolgsgeschichte in den Postings.
Trotzdem bleibt die Frage: Woher kommt das Unbehagen? Ist LinkedIn im Kern nicht einfach genau das, ein Marktplatz der Arbeitskraft und Haltungen? Eben ein postsoziales Medium – ähnlich wie Tiktok oder Instagram -, das auf einfache Reiz-Reaktions-Muster setzt, statt auf wirkliche soziale Interaktion? Oder bleibt in der Undurchschaubarkeit der Algorithmen am Ende doch die Sorge, dass das eigene Anpreisen in der Masse untergeht oder die immer gleiche Blase aus Gleichgesinnten bedient und die Energie lieber woanders investiert werden sollte?
Mit mehr Verwunderung blicken wir auf den Trend einiger Firmen, das LinkedIn-Profil und die darüber abgesetzten Posts gleich zum Teil der Zielvereinbarung zu machen. Stellenanzeigen müssen über ein Profil mit echtem Namen veröffentlicht werden, sollen nicht über eine Unternehmensseite geschaltet werden. So wird das vermeintlich persönliche Berufsprofil gleich zum Werbeprofil für Unternehmen. Anders gesagt: Meine Online-Identität wird mir zur Verfügung gestellt und wandert dann zum nächsten Unternehmen weiter. Es scheint nur niemanden zu stören. Wahrscheinlich, weil dieser Deal sowieso offensichtlich ist in der schönen neuen Netzwerkwelt? Apropos: Auch wir sind natürlich auf LinkedIn zu finden. Schauen Sie gerne mal vorbei. Für wirkliche soziale Interaktion empfehlen wir allerdings weiterhin unsere Veranstaltungen und Fortbildungen im Institut.
Was bei uns ansteht:
- Am 5. und 6. Juli findet der Workshop zur „Einführung in die psychodynamische Beratung“ statt. Hier werden psychodynamisch inspirierte Methoden vermittelt, sowohl durch kurze Theorieinputs wie auch die Arbeit mit dem praktischen Material der Teilnehmer:innen.
- Die Supervisionsweiterbildung für Coaches beginnt am 5. September. Das Ziel der nach DGSv-Richtlinien stattfindenden Weiterbildung ist es, die bereits vorhandenen Kompetenzen sowie das Wissen um Beratungskonzepte zu vertiefen und zu erweitern. Auf diese Weise soll ein eigenes Profil als Supervisor:in entwickelt werden.
- Ab dem 8. November geht es mit der Fortbildung zur Generativen Organisations- und Kulturentwicklung los. Fokus sind dabei praktische Fragestellungen der Beratung und Führung von Organisationen. Zudem geht es darum, die mit und in ihnen arbeitenden Menschen neu zu erfassen und die Themen anhand von konkreten Veränderungsprojekten der Teilnehmer:innen zu bearbeiten.
- Am 28. November beginnt die oben vorgestellte inscape Coaching-Ausbildung. Während der Ausbildung entwickeln Teilnehmer:innen ihre Haltung als Coach und setzen sich mit den psychodynamischen Aspekten der Coaching-Arbeit auseinander.
Anmeldungen zu allen drei Veranstaltungen können jeweils bei Gabriele Beumer unter Gabriele.Beumer@inscape-international.de vorgenommen werden.
Das ganze Jahresprogramm von inscape finden Sie hier.
Damit verabschieden wir uns für die dreizehnte Ausgabe des Newsletters. Die nächste Ausgabe erscheint im Juni.
Herzliche Grüße,
das inscape-Team